Service in Wissenschaft und Wirtschaft

veröffentlicht am 26.11.2022

Enge Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft

Das Thema Service hat an der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule Furtwangen (HFU) Tradition und so existiert bereits seit über 20 Jahren eine enge Kooperation mit dem AFSMI. Die Anknüpfungspunkte sind zahlreich und erstrecken sich über die Bereiche Lehre, Forschung und Transfer-Veranstaltungen.

In Furtwangen werden zwei Wirtschaftsingenieur-Studiengänge angeboten, die speziell auf Service ausgerichtet sind. Als der erste Service-Studiengang im deutschsprachigen Raum wurde 2001 der MBA „Wirtschaftsingenieurwesen – Sales & Service Engineering“ eingerichtet. Dieser berufsbegleitende Studiengang lebt nicht nur von erfahrenen Professoren der HFU, sondern auch von etlichen Lehrbeauftragten aus der Praxis. Aus dem Vorstand des AFSMI und auch aus Mitgliedsunternehmen bereichern Dozenten die Veranstaltungen bereichert. Herr Wilhelm Taurel war von der ersten Stunde an dabei, wurde nun nach über 20 Jahren Tätigkeit als Lehrbeauftragter in den Ruhestand verabschiedet und hat seine Veranstaltungen an Herrn Dieter Schönfeld übergeben. Auch Herr Till Post ist schon weit über zehn Jahre in dem Studiengang aktiv. Auf der Bachelor-Ebene wurde 2010 der Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen – Service Management“ gestartet und mittlerweile in „Wirtschaftsingenieurwesen – Industrial Solutions Management“ überführt, um dem Wandel zu komplexeren Lösungen und neuen Geschäftsmodellen Rechnung zu tragen.

Mit der Forschungsgruppe Service Innovation um Prof. Dr. Christian van Husen ist die Hochschule im Bereich der Serviceforschung seit 2014 sehr aktiv. Smart Services und Service Prototyping spielen dabei eine entscheidende Rolle. In verschiedenen Projekten konnten die HFU und der AFSMI auch hier gemeinsam Fortschritte erzielen. Kooperationen gab es im BMBF-Forschungsprojekt „ParaBaSe – Parameterbasiertes Service Design bei der Innovation von Produkt-Service-Systemen“ sowie im Transferprojekt des Landes Baden-Württemberg „Smart Services für Macher“. Darüber hinaus wurde im Auftrag das AFSMI gemeinsam eine Job-Broschüre zu Services-Tätigkeitsprofilen erarbeitet. Eine gemeinsame Nachwuchsarbeit aller Beteiligten wird in Zeiten des Fachkräftemangels immer entscheidender. Unternehmen suchen Spezialisten und die Hochschulen bemühen sich um eine gute und praxisorientierte Ausbildung. In Rankings und Bewertungen wird das für die Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen der HFU immer wieder herausragend bestätigt. Entscheidend ist aber vor allem, junge Menschen für Chancen im industriellen Service-Business zu interessieren und zu begeistern. Da es im Gegensatz zu anderen Berufsbildern hier, wegen der starken B2B Orientierung, typischerweise während der Jugend wenig Berührungspunkte gibt, liegt in der Ansprache und attraktiven Information eine besondere Herausforderung, der wir nur gemeinsam mit Hochschulen, Verbänden und Unternehmen begegnen können.

3 Fragen an Christian van Husen und Wilhelm Taurel

Professor Dr. Christian van Husen ist seit 2011 Professor für Service Management an der Hochschule Furtwangen und Studiendekan „Industrial Solutions Management“. Er besitzt Serviceerfahrung als Manager und Projektleiter in Industrie, Forschung und Beratung und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Service Innovation und Prototyping, Smart Services und Produkt-Service-Systeme.

Wilhelm Taurel, Gründer der Taurel Unternehmensberatung in Düsseldorf, Dozent an unterschiedlichen Hochschulen und langjähriges AFSMI-Mitglied ist Experte für industrielles Service Management, aktiv in der deutschen und internationalen Service Research und Co-Gründer des „Expertenforums für industrielle Dienstleistungen“ am Lehrstuhl für Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule Düsseldorf. Er startete nach einem Dipl. Betriebswirt-Studium an der FH Köln in eine 30-jährige Laufbahn in den Bereichen Professional Service, Sales, Marketing (Services und Strategie) der Europäischen IT-Industrie, an die sich ein 20-jähriges, selbständiges Management Consulting Business mit Schwerpunkt auf internationales Services Marketing & Business Development anschloss.


Wie gestaltete sich der Austausch zwischen der Hochschule, dem AFSMI und den Unternehmen in den letzten 20 Jahren?

Christian van Husen: Der Austausch zwischen Hochschule und Unternehmen findet regelmäßig in gemeinsamen Veranstaltungen einen passenden Rahmen. So freut sich die Hochschule Furtwangen immer über die Gelegenheit, Gastgeber für AFSMI-Chaptermeetings zu sein. Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des MBA-Studiengangs fand 2011 das erste Chaptermeeting in Furtwangen statt. 2018 war es eine große Ehre, das 100. Chaptermeeting mit dem AFSMI auszurichten und 2022 fand das 107. Chaptermeeting statt. Neben dem informellen Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie spannenden Vorträgen werden bei dieser Gelegenheit auch neueste Erkenntnisse und Informationen aus der Forschung auf lockere Weise vermittelt. So fand am Vorabend des letzten Meetings ein lebhafter Austausch in dem offenen Erlebnisraum Smart Services statt, der in das Industrial Solutions Lab der HFU integriert ist.

In der langjährigen, intensiven Zusammenarbeit sind somit einige Highlights zu verzeichnen. Dazu gehören die besonders gut besuchten Chaptermeetings – trotz der zugegebenermaßen nicht unbedingt zentralen Lage von Furtwangen. Vor allem das 100. Jubiläumsmeeting hatte hier eine ganz besondere Dimension. Aber auch die gemeinsamen Projekte haben für die Hochschule eine große Bedeutung. Schließlich gehört die Forschung zum Kerngeschäft und unser Anspruch als Hochschule für angewandte Wissenschaften ist es, diese am Bedarf der Praxis auszurichten und Ergebnisse zu produzieren, die wiederum den Weg in die Praxis finden. Der AFSMI hat hier eine wichtige Funktion, Service-Interessen von Unternehmen zu bündeln und den Austausch zu unterstützen.

Wilhelm Taurel: Der Start der Zusammenarbeit zwischen der Hochschule Furtwangen und der Association for Services Management International German Chapter e.V. liegt Anfang dieses Jahrtausends. Der damalige Vizepräsident AFSMI, Prof. Heribert Schmitz, seinerzeit Vice President Hewlett-Packard Corporation und General Manager HP- Services in EMEA, war seit 1999 Mitglied des Hochschulrats der HFU. In 2001 erschien eine erste Publikation „Course of Study Guide – High-Tech Services and Support Management“ durch den AFSMI/USA. In diesem Dokument erfolgte eine erste Zusammenstellung von Themen, die in ein spezialisiertes Studien-Curriculum gehören.

Zu dieser Zeit begann auch ein Team aus Führungskräften des AFSMI in Europa und Deutschland unterschiedliche Initiativen zu ergreifen, das Service Management in die Führungsgremien akademischer und politischer Institutionen zu tragen und seine Hilfe anzubieten, akademische Ausbildungsgänge umzusetzen. In der gleichen Zeit stellten Gremien an der HFU fest, dass es sinnvoll sei, einen Post-Graduate MBA für Sales & Service Engineering ins Leben zu rufen, da man festgestellt hatte, dass die bisherigen Diplom-Ingenieur Absolventen sehr oft in Sales-, Service- und Produktmanagement-Rollen in den Unternehmen aktiv wurden. Für diesen MBA gab es Bedarf an Lehrbeauftragten, der durch Heribert Schmitz, und mir, Wilhelm Taurel, bedient wurde. Heribert Schmitz lehrte Themen wie “Leadership, Corporate Culture und Corporate Social Responsibility” und ich startete mit “Strategie IT-Services” im Sept. 2002 und entwickelte den Kurs über „Service Engineering I“ und „Service Management 2“ zum heutigen „Service Strategy & Sales“. Im Jahr 2008/2009 kam das AFSMI Mitglied Till Post mit dem Thema „Service Engineering“ bis heute hinzu. Heribert Schmitz beendete seine LB-Zeit in 2015 und ich in diesem Jahr mit der Etablierung von Dieter Schönfeld, Vorstand des AFSMI, als Nachfolger für das Thema „Service Strategy & Sales“. Somit sind seit 2002 immer 2 Lehrbeauftragte aus dem AFSMI Vorstand und Führungskreis an der HFU aktiv.

So kann die aktuelle Service Management Praxis immer wieder in die Weiterentwicklung des Curriculums – wie bereits mehrfach in der Vergangenheit hinzugezogen werden. Da die AFSMI-Lehrbeauftragten meistens auch an anderen Hochschulen Lehraufträge halten und über umfangreiches Wissen aus der industriellen Praxis verfügen, kann die WING-Fakultät auch von deren Erfahrungen profitieren.


Worin liegen die Vorteile einer solchen Kooperation?

Christian van Husen: Die Vorteile der Kooperation sind vielfältig. Die Hochschule ist froh, Lehrbeauftragte mit umfangreicher Praxiserfahrung im Service zu haben, die wichtiges Wissen in den Studiengang mit einbringen. Auch der Input aus dem Austausch mit Verband und Unternehmen trägt entscheidend dazu bei, Lehre und Forschung auf den aktuellen Praxisbedarf auszurichten. Studierende profitieren von den Praxiserfahrungen, die in Lehrveranstaltungen einfließen, und sind gerne Gäste bei den gemeinsamen Veranstaltungen. Unternehmen haben die Chance, neueste Erkenntnisse aus der Wissenschaft in einem anschaulichen Rahmen zu bekommen und diese direkt gemeinsam mit weiteren Praktikern und Hochschule zu diskutieren.

Wilhelm Taurel: Ein wichtiger Zusammenarbeitsbereich ist die Veranstaltung gemeinsamer Tagungen zu den Themen Service Sales und Service Engineering. Sie wurden bisher immer mit Jubiläums-Terminen verknüpft; zum ersten Mal in 2011, zum 10. Jubiläum des MBA Sales & Service Engineering Studiengangs. Tagungsthema war „Service Vertrieb“ und besondere Highlights waren Vorträge von Endress+Hauser zum Start der ersten Service-spezifischen Vertriebsorganisation neben dem etablierten Produktvertrieb sowie von Testo Industrial Services, zur Entwicklung einer Service-spezifischen Tochtergesellschaft mit internationalen Niederlassungen neben dem etablierten Hersteller-Business. Die ca. 100 Teilnehmer konnten mit dem Usability Labor auch Hochschul-Einrichtungen besichtigen und kennenlernen. In 2018, zum 100. Jubiläum des AFSMI German Chapter war das Thema „„Sales & Service Engineering“ mit dem Schwerpunkt, erfolgreiche Beispiele von Vertrieb und Services Kooperationen in der Industrie vorzustellen. Auch hier gelang es, ca. 100 Teilnehmer zu interessieren. Besonders hervorzuheben waren die Vorträge von DMG MORI, Airbus und erneut Endress+Hauser. Dabei konnten wir erfahren, welche Bedeutung das Servicegeschäft in der Airbus Group bereits einnimmt und welche Pläne zum weiteren Ausbau existieren, DMG MORI ließ uns an seinen neusten Service-Angeboten insbesondere für Condition Monitoring teilhaben mit den besonderen Herausforderungen bezüglich Technik, Aufwand, Kundennutzen und Zahlungsbereitschaft. Endress+Hauser schrieb für uns die Entwicklung seiner Vertriebsorganisation weiter fort, in der zusätzlich zu dem Produktvertrieb und dem in 2011 vorgestellten Service-Vertrieb inzwischen auch ein Lösungsvertrieb mit Erfolg etabliert wurde.

Einen wichtigen Raum nahmen auch die Neuigkeiten der Hochschule ein: Die Fakultät hat einen Bachelor- und einen Masterstudiengang sowie diverse Forschungsprojekte im Bereich Services und verfügt mit dem Servicelabor über eines der größten seiner Art bundesweit. Im Labor, das am zweiten Veranstaltungstag feierlich eröffnet wurde, werden beispielsweise Versuche zu praktischen Servicethemen wie Diagnose, Installation von Anlagen oder zerstörungsfreie Prüfung durchgeführt. Studierende werden dort auf Themen der Zukunft vorbereitet: Es geht um 3D-Druck von Ersatzteilen, Industrie 4.0, Robotik in Kooperation mit Menschen sowie die Nutzung von Augmented und Virtual Reality.

Bei dieser Tagung konnte auch ein Resümee des ersten Forschungsprojekts ParaBaSe (Parameterbasiertes Service Design bei der Innovation von Produkt‐Service‐Systemen), vorgestellt werden, in dem neben dem Industrieunternehmen B. Braun Aesculap die HFU und der AFSMI zwischen 2015 und 2018 erstmals auch wissenschaftlich zusammengearbeitet hatten. Die bisher letzte gemeinsame, dritte Tagung fand in diesem Jahr zum 20. Jubiläum des MBA Studiengangs statt unter dem Thema "Next Level im Vertrieb industrieller Dienstleistungen". Damit verbunden war auch ein spannender Einblick in das inzwischen weiter gewachsene Service & Robotik Labor mit der zusätzlichen Aufgabe eines Kompetenzzentrums Smart Services Baden-Württemberg.

In der Tagung mit ca. 70 Teilnehmern sind herauszuheben, wie die Firma ZwickRoell, ein mittelständischer Maschinenbauer, entscheidende Schritte zum Ausbau des Vertriebs der Services über den ganzen Life Cycle seiner Maschinen bei den Kunden umsetzt. Dazu kamen die Einblicke in die Umgestaltung des Dienstleistungsvertriebs für neue digitale Services bei Siemens Digital Industries sowie die Herausforderungen aktueller Subskriptions-basierte Geschäftsmodelle beim Maschinenbauer Heidelberger Druckmaschinen. Professor Dr. Jan Wieseke vom Sales Management Department der Ruhr-Universität Bochum stellte uns das Ergebnis seiner aktuellen, beeindruckenden wissenschaftlichen Arbeit über modernes Vertriebsmanagement vor. Somit kann die Hochschule auch mit dieser Veranstaltung für ihre Lehr- und Forschungstätigkeit auf aktuellste Entwicklungen im Sales und Service Management zugreifen und ihre Aktivitäten und Angebote der Management Praxis vorstellen.

Neben den beiden Austausch- und Kooperationsbereichen Lehre und Tagungen sollen hier auch noch die Kooperationen in gemeinsamen Projekten erwähnt werden. Das erste Forschungsprojekt war das schon erwähnte ParaBaSe Projekt, das von 2015 bis 2018 lief. Dazu kam in der Zeit von 2016 bis 2018 das Gemeinschaftsprojekt der Publikation „High-Tech-Services - Anforderungen, Aufgaben und Qualifikationen für Fachkräfte“, einer bisher in Deutschland einmaligen Veröffentlichung, in der alle wichtigen Rollen für das industrielle Dienstleistungsgeschäft, aufgeteilt in 16 Jobprofile, zusammengestellt sind. Die 16 Profile beschreiben in einer einheitlichen Struktur die Aufgaben und Qualifikationen für jedes dieser Tätigkeitsfelder. Zwischen 2018 und 2020 lief als bisher letztes das Projekt „SMART SERVICES FÜR MACHER“, das sich als Transfer-Projekt auf die Interaktive Vermittlung von Wissen über die Gestaltung von Smart Services und digitalen Geschäftsmodellen an Auszubildende, Mitarbeitende und Führungskräfte von kleinen und mittleren Unternehmen konzentrierte. In diese Zeit fällt auch die Schaffung des Kompetenzzentrum Smart Services für Baden-Württemberg, von dem oben bereits die Rede war. Neben diesem Projekt bezogenen formellen Zusammenarbeiten sind sicher auch noch die zahlreichen persönlichen Austausche der AFSMI-Mitglieder mit den Lehr- und Forschungskräften der HFU zu erwähnen, bei denen persönliche Entdeckungen und Erfahrungen oder Publikationen und Präsentationen ausgetauscht und diskutiert werden.


Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Christian van Husen: Für die Zukunft ist zu wünschen, dass diese erfolgreiche Zusammenarbeit fortgesetzt und ausgebaut wird. Insbesondere im Bereich des Forschungstransfers treffen sich die Interessen beider Seiten. Forschung hat den Zweck, Erkenntnisse für die Unternehmen zu liefern und der Verband möchte seinen Mitgliedern Wissen und Informationen auf dem aktuellsten Stand bieten. Gerne steht die Hochschule bereit, wenn es Interesse an gemeinsamen Forschungsprojekten gibt, in die Unternehmen immer auch als Partner einbezogen werden sollen. Aus den Studiengängen stehen nicht nur Absolventen, sondern auch Studierende für Praxissemester und Abschlussarbeiten mit Servicebezug zur Verfügung. Unternehmen können dafür gerne Ausschreibungen platzieren. Auch hier treffen sich Interessen von Unternehmen und Studierenden und können erfolgreich miteinander verknüpft werden. Für die Zukunft wollen wir gemeinsam junge Menschen für Service begeistern!

Wilhelm Taurel: Aus unserer AFSMI-Sicht möchten wir diese nun über 20 Jahre dauernde Zusammenarbeit gern fortsetzen und ggf. intensivieren. Auf dem Gebiet des industriellen Service Managements ist auch für die Zukunft noch viel Raum für Analysen, Erkenntnisgewinn und Erfahrungsaustausch, den wir gern mit der WING Fakultät der HFU diskutieren können.

Es wäre darüber hinaus wünschenswert, dass wir die gute Erfahrung mit der HFU nutzen können, um auch Partnerschaften mit anderen Hochschulen so erfolgreich zu gestalten.


Über den Autor

Dieter Schönfeld; Vize-Präsident und Vorstand für Bildung und Forschung