Service Sales im Schwarzwald

veröffentlicht am 29.09.2022

Impressionen

Die Veranstaltung

Das 107. AFSMI Chaptermeeting stand ganz im Zeichen von Service Sales und Smart Services. Gastgeber war die Hochschule in Furtwangen, die schon seit langen Jahren Mitglied im AFSMI ist.

Referenten und TeilnehmerInnen aus Unternehmen verschiedener Größen und Branchen lieferten ein breites Erfahrungsbild in Bezug auf den erfolgreichen Vertrieb industrieller Services und die Vermarktung von Service-Geschäftsmodellen.

Das Team rund um Prof. Christian van Husen und Frau Prof. Katja Gutsche von der HFU Wirtschaftsingenieurwesen, demonstrierten spannende Smart Services "zum Anfassen", die im Rahmen von Forschungsprojekten entwickelt wurden.

Auf Basis der Impulsvorträge der Referenten (Michael Kasper (ZwickRoell), Univ.-Prof. Dr. Jan Wieseke, Mario Heinrich Schenk (Digital Enterprise & Digital Services Siemens), Uwe Lindemann (Bosch Rexroth AG), Markus Winter (Heidelberger Druckmaschinen AG)) heben sich folgende Faktoren für den erfolgreichen Vertrieb industrieller Services hervor:

  • After Sales“ wird zum innovativen Servicepartner incl. Service Vertrieb
  • Mit spezifischen, neue Services die Nutzung der Maschinen und/Geräte durch die Kunden verbessern und aktiv anbieten!
  • Service braucht Vertrieb!
  • Servicevertrieb ist Teamarbeit
  • Der Servicevertrieb gehört organisatorisch zum Servicebereich
  • Servicemanager sollten das Vertriebsmanagement erlernen!
  • Service sollte ein zentrale Einheit im Unternehmen sein; ( Business Unit!)
  • Service heißt zukünftig Lifecycle Solutions (Sales) bzw. Operations (Fulfillment) bei Heidelberger Druckmaschinen
  • Remote Service sollte ein Basisprodukt sein, kein Premium-Baustein!
  • Transparenz über das Servicepotenzial des eigenen Marktes nicht nur des installierten Bestandes
  • Welche Services verschaffen den KundInnen einen echten Mehrwert?
  • Die eigenen KundInnen und ihre Kontaktpunkte kennen
  • Services entlang des gesamten Product Life Cycle entwickeln und vermarkten - das Potenzial ist da!
  • Eine gelebte Servicekultur im Unternehmen: Angefangen bei der Unternehmensführung sollte das „Geschäftsfeld Service“ gemeinsam mit den MitarbeiterInnen vorangetrieben werden.
  • Servicepotenzial entlang der CustomerJourney aufdecken, Kunden und Bedarfe definieren, Services kontaktpunktspezifisch entwickeln!

Unser Dank geht an die Referenten und das ganze Organisations-Team für die spannende Konferenz und die tolle Organisation, insbesondere Herrn Wilhelm Taurel für die inhaltliche Vorbereitung und Daniela Fehrenbach mit Team für die Organisation der Veranstaltung und Ron Metzger für tolle Fotos.


Veranstaltungsseite (mit Downloadmöglichkeit der Vorträge im Mitgliederbereich): 107. Chapter Meeting


Rückblick auf das 107. AFSMI Chapter Meeting

von Dipl. Betriebswirt Wilhelm Taurel

Seit vielen Jahren analysieren und diskutieren wir im AFSMI immer wieder die Entwicklung der Vertriebs-Strategien industrieller Dienstleistungen in den Kernbranchen (z. B. Maschinenbau, Elektrotechnik, Information und Telekommunikation). So kennen wir die Entwicklung vom Verkauf der Basic-Services durch den Produkt-Vertrieb, über die Einrichtung von Service Promotions- oder Consultant-Funktionen zur Unterstützung des Produktvertriebs und über separaten Servicevertrieb bis zu eigenständigen Business Units und Divisions mit eigenem Produkt- und Vertriebsmanagement für das Servicegeschäft. Digitale bzw. Smart Services und neue Geschäftsmodelle führen zu weiteren Herausforderungen an die optimale Vertriebs-Struktur, um diese neuen Angebote zum Erfolg zu führen. Darüber hinaus ermöglicht die Digitalisierung neue Vertriebsformen, bei denen Kunden selbständig ohne Vertriebspersonal-Unterstützung kaufen können oder bei denen Kundenberatung durch Assistenzsysteme die vertriebliche Arbeit stark entlasten kann. Das erfordert neue Vertriebsstrategie-Überlegungen, welche Service- und/oder Lösungs-Leistungs-Angebote bzw. welche Teile des Angebots-Portfolios sich für welchen Vertriebsweg am besten eignen. Ein Grund, immer wieder den State-of-the-Art zu prüfen und aktuelle Perspektiven kennenzulernen.

Was können wir feststellen? Prof. Dr. Jan Wieseke vom Sales Department der Ruhruniversität Bochum hat uns seine jüngsten Vertriebs Recherchen vorgestellt und darauf aufmerksam gemacht, dass im Vertriebsmanagement dringender Handlungsbedarf besteht, um aus den „Death Valley-Märkten (Strategie der minimalen Kosten und Preise) in die Green-Hill-Märkte (Strategie der Solution-Geschäftsmodelle) vorzustoßen. Dabei bezeichnet er Green-Hill-Märkte als Marktbereiche, in denen Kunden bereit sind, die Angebote eines Unternehmens mit einem Preis zu vergüten, der dem Anbieter eine satte Gewinnmarge ermöglicht. Es geht darum, Solution-Geschäftsmodelle zu finden und dann auch umzusetzen. Er hat dazu 2 aktuelle Bücher geschrieben, in denen die erfolgversprechenden Vorgehensweisen detailliert und an konkreten industriellen Beispielen demonstriert werden. Beispielsweise überzeugte uns Prof. Wieseke, dass zur erfolgreichen Umsetzung „Smart Selling“ erforderlich ist, das aus 6 Prozessschritten (Kompetenzen, Führung, Vergütung, Lead Management, Vertriebsstruktur, Verkaufsmethode) besteht, die erfolgreich durchlaufen werden müssen.

Am Beispiel der Heidelberger Druckmaschinen lernten wir durch Frank Winter, den Serviceleiter Europa, dass inzwischen der Terminus „After Sales Service“ abgeschafft wurde und in die Bereiche Lifecycle Solutions (Services Sales) und Lifecycle Operations (Services Delivery) entwickelt wurde. Daneben fungiert eine geografisch organisierte Sales Operation fürs Produktgeschäft. Somit wird für die Kunden das Sales Account Management seit ca. 7 Jahren zwischen einer Product Sales und einer Lifecycles Sales Funktion abgebildet. Dazu treten inzwischen Inside Sales und E-Commerce Funktionen sowie Marketingleistungen (z. B. Social Media, Website, E-Mails, Newsletters, Kampagnen, Events und Messen) hinzu. Trotz dieser sehr weit ausgebauten Strukturen konnten wir lernen, dass im Markt und bei den Kunden immer noch von HD ungenutzte Potenziale schlummern.

Vom aktuellen Marktführer in Factory Automation, Motion Control, Industry Software und Process Automation, der Digital Industries Division von Siemens, stellte uns Mario Heinrich Schenk, der Head of Digital Enterprise & Digital Services Germany, die Angebotsportfolio Evolution der Customer Services BU vor, die sich aus der Konvergenz von IT + OT ergibt. Es ist der Weg von Siemens Industrie Services „früher“ (Der Service folgt dem Produkt und der installierten Basis) zu Digital Enterprise Services „heute“ (Der Service folgt den unternehmerischen Herausforderungen der Kunden). Die Geschäftsmodelle entwickeln sich von „Sell + Deliver“ zu „Licensing“, „Subscription“, „Pay-per-Use“ oder „Pay-per-Outcome“. Daher teilt er heute sein Go-2-Market auf in Digitale Plattformen, operative Servicemitarbeiter und in Sales + Service Consulting/Service Sales Support. Damit bedient sich das Service Go-2-Market heute zielgruppengerecht unterschiedlicher Kanäle.
Bemerkenswert ist, dass Herr Schenk dieses geänderte Go-2-Market ohne Personalaufstockung durchführt.

Der Bereichsleiter After Sales der ZwickRoell GmbH & Co. KG, Michael Kasper, zeigte uns das neue systematisierte Kunden-Betreuungskonzept entlang des Lebenszyklus ihrer Maschinen. ZwickRoell ist ein mittelständischer Marktführer für Werkstoffprüfung mit 160 Jahren Erfahrung und weltweit repräsentiert in 50 Ländern. Die maßgeschneiderten Dienstleistungen unterstützen Kunden während des gesamten Lebenszyklus ihres Prüfsystems. Mit dem neuen Betreuungskonzept will ZwickRoell insbesondere seine Bestandskunden begeistern durch bestmögliche Betreuung entlang des Lebenszyklus ihrer Maschinen. Dabei werden die folgenden Schritte definiert:

Über den Lebenszyklus einer Maschine gibt es eine Vielzahl von Kundenkontaktpunkten (prozessorientiert, ereignisorientiert, datengetrieben, …), die bisher wenig und eher reaktiv bedient wurden. Es wurden bei allen Kontaktpunkten Zielsetzung, Verantwortlichkeit, Intervall und Kommunikationsmedium definiert. Seit Mai 2022 ist die Pilotierungsphase des Lebenszykluskonzepts gestartet und Erfahrungen werden gesammelt.

Von Uwe Lindemann, dem Vice President Sales and Service der Bosch Rexroth AG, erfuhren wir erstmalig, dass es sehr erfolgversprechend ist, wenn man wie BR seit ca.2 Jahren Service und die Partner des Unternehmens mit gemeinsamen Strategien kooperierend am Markt und bei den Kunden auftreten läßt. Somit entstand ein Service und Partner (Sales) Netzwerk in Deutschland und die Service Center in wurden zu 3 Service Sales Centers. Zu der Service Organisation wurde eine Partnerorganisation (mit operativer Partnerbetreuung, Partner Entwicklungs Teams und Support Teams) hinzugefügt und eine klare Partner-Kategorisierung eingeführt. Mit diesem Schritt und den dazu notwendigen Change-Massnahmen stellten sich Erfolge ein, wie eine erhebliche Auftragseingangssteigerung über Partner im Neugeschäft und im Service, eine nachhaltige Umsatzsteigerung im Service, eine Steigerung der Kundenzufriedenheit und eine Steigerung der Marktdurchdringung. Ein Hinweis für uns alle, bei signifikantem Indirekt-Kanal Geschäft die Service-Strategien gut damit abzustimmen und somit Erfolg auf beiden Seiten zu steigern.

Zu Beginn der Tagung stellte uns Prof. Dr. Christian van Husen von der HFU das Kompetenzzentrum Smart Services des Landes Baden Württemberg vor, von dem ein Teil an der HFU beheimatet ist. Das Zentrum bietet Baden-Württembergischen Unternehmen insbesondere Unterstützung in den Themenfeldern Neue Geschäftsmodelle für Dienstleistungen, Entwicklung von Smart Services, Nutzung von Service-Plattformen und Künstliche Intelligenz (KI) an.

Herr van Husen machte dabei klar, welche Einfluss- und Erfolgsfaktoren für ein Geschäft mit Smart Services relevant sind und welche Vertriebsherausforderungen gegeben sind.

Welche Erkenntnisse haben nun unsere Teilnehmer von dieser Tagung mitgenommen?
Dazu finden Sie hier die gesammelten Antworten auf folgende „Erfahrungsaustausch-Fragen“:

  1. Welche Ansätze haben sich bewährt?
    • Servicevertrieb ist Teamarbeit
    • Servicevertrieb in Service-Einheit
    • Vertrieb anders denken
    • Den richtigen Kanal zur richtigen Zeit bespielen (Customer Journey)
    • Abhängig vom Reifegrad des Unternehmens
    • Top-Management Commitment und Kundenorientierung
    • Service als zentrale Einheit ggf. Ausgründung
    • Komplexität nimmt zu

  2. Welche Erkenntnisse konnte ich gewinnen?
    • Input für Studium „Change-Management“
    • Geschäftsmodell: Verknüpfung mit Kundensicht und Mitarbeitersicht
    • Investition in „Mannschaft Transformation“ bei Modell- und Produktänderung
    • Bestätigung: Service braucht Vertrieb
    • Anteil von Services am Gesamtumsatz schon so hoch + Notwendigkeit der Abbildung in IT-Systemen
    • Signifikanz Serviceanteil - Notwendigkeiten weiterzumachen
    • Auffallend viel über Organisation gehört
    • Fokus auf Service Sales
    • Service und Partnermanagement
  3. Was kann ich für mein Unternehmen mitnehmen?
    • One-face-to-the-Customer vs. Buying Center Ansatz
    • After Sales >> innovative Service partner inkl. Vertrieb
    • Service Produkte “on top” – Was kann man zusätzlich anbieten?
    • Welche Aspekte sind wichtig, um eine eigene Vertriebssystematik zu pushen?
    • Incentivierung von Service Sales
    • Service und Sales sollten nicht separat angesehen/betrachtet werden! Ein Teil des Sales ist der Service (Service nicht gleich operativer Service)
    • Remote als Basismodell nicht als Premium-Produkt

Mit dieser Tagung hat der AFSMI die Tradition von Service Sales Konferenzen fortgesetzt und damit das Thema zum dritten Mal (2022, 2018, 2011) an der HFU diskutiert. Mit diesen Chapter Meetings verfolgt der AFSMI das Ziel, die aktuelle Service Vertriebsentwicklung in den Branchen IT- und Telekommunikation, Maschinen- und Anlagenbau, Medizintechnik und Elektrotechnik zu analysieren, anstehende Entwicklungen kennenzulernen und eine Bilanz der Erkenntnisse beim Verkauf neuer Services zu erfahren, um ggf. daraus Best-Practices ableiten zu können.